FROETSCHER LICHTENWAGNER
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centrum.odorf

Nicht mehr länger eine triste Trabantenstadt: Wie ein monofunktionales Stadtquartier aufgewertet wird.

Das Bild Innsbrucks hat, nicht nur in der Wahrnehmung von Außen, einen weißen Fleck: das olympische Dorf. Jede Stadt hat solche Gegenden, die – aus dem allgemeinen Fokus gerückt – in Vergessenheit geraten. Das „olympische Dorf“ in Innsbruck wurde in 2 Etappen (zur Olympiade 1964 und 1976) errichtet und ist heute eine Großwohnsiedlung für ca. 8.000 Bewohner. Es weist alle Merkmale einer europäischen Stadtrandsiedlung auf und hat auch mit den gleichen Problemen zu kämpfen: fehlende Infrastruktur, mangelndes kulturelles Angebot, Monofunktionalität sowie eine Tendenz zur räumlichen Segregation von ethnischen Minderheiten. Die Flächen zwischen den Blöcken, mit ihren endlos aneinander gereihten Sozialer-Wohnbau-Fenstern, sind zerstückelt und trotz des großen Maßstabs ohne jede Großzügigkeit. Dieses, bis zum Überdruss bekannte Bild trister Trabantenstädte liefert nicht selten auch den Hintergrund für soziale Konflikte, Frust und Gewalt. Ein Bild des ersten Blickes. Beim genauerem Hinsehen kann man aber auch eine andere Ebene entdecken: In der Auseinandersetzung mit einem Ort lernt man nicht nur die Realität der Verhältnisse zu akzeptieren – auf den zweiten Blick eröffnet sich dann die poetische Qualität dieses unsentimentalen und seltsam fremden Ortes.

Jeder Neubau im Quartier, insbesondere ein solcher mit übergeordneter Bedeutung, muss es mit der vorhandenen Bebauung aufnehmen. Er muss, um Bestand zu haben, mit dem Maßstab des Ortes operieren. Dabei geht es nicht darum, die Primadonna zu sein, Ziel ist die Rolle im Ensemble überzeugend zu spielen. Und dazu braucht es die Mitspieler. Mit dieser Erkenntnis wurde versucht ähnliche Volumen zu verwenden, sie jedoch anders zu gewichten: Der Baukörper vollführt eine mäanderartige Bewegung. Zunächst horizontal, den rechteckigen Platz säumend, dann vertikal aufsteigend. Zunächst niedriger als die umgebenden Gebäude steigt er dann zu einem, seine Umgebung überragenden, Turm an. Öffentliche Nutzungen im Flachbau, Wohnen im Turm. Um die wirtschaftlich notwendigen 500m2 Geschoßfläche zu erreichen, gleichzeitig aber eine verträgliche Schlankheit zu erzielen, wurde der Turm gespalten. Der schlankere Turm ist mit verglasten Brücken mit der Erschließung im breiteren verbunden. Der 2,5 m breite Spalt zieht sich bis ins Untergeschoß und setzt sich als Einschnitt über die ganze Länge des Platzes fort. Dieser Einschnitt markiert die freie Platzkante und bringt Tageslicht in die Quartiersgarage unter dem Platz. In der Nacht beginnt die 114 m lange Wand des Einschnittes zu leuchten.

Nutzungen: Die zum Teil bestehenden, jedoch abgenutzten Einrichtungen wie Mehrzwecksaal und Kindergarten wurden durch neue ersetzt, zusätzliche, übergeordnete Nutzungen wurden geschaffen: Jugendzentrum, betreutes Wohnen mit Tageszentrum, Vereinsräume, Quartiersgarage, Büroräume und Geschäftsflächen. Darüber hinaus schien es sinnvoll, zur Erreichung einer wünschenswerten urbanen Dichte, weitere 100 Wohnungen unterzubringen. Sämtliche Funktionen werden, um die für die Akzeptanz notwendige Frequenz zu erzielen, vom Platz aus erschlossen. Zusammen sollen sie die Voraussetzungen für ein städtisches Alltagsleben auf dem Platz schaffen – ein Leben welches sich bisher in den Zwischenräumen der Wohnblöcke und den amtlich begrünten Restflächen zu verlieren schien.

Credits

Team FLA: Petra Gorjanz, Leszek Liska, Christian Lindner

Freiraum: Idealice

Fotos: Lukas Schaller, Larry Williams

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